Zwischen Städten und Natur – Reisebericht 6

Veröffentlicht am 8. Mai 2022 um 20:15

Nach einem entspannten Abend im Wohnwagen geht es, am nächsten Morgen, langsam Richtung Stockholm. Da die Strecke doch recht weit ist und wir noch einkaufen müssen, entscheiden wir uns einen Zwischenstopp beim Fjällmossen einzulegen.

Hier stehen wir geschützt an einem Wanderparkplatz (mit Quelle, Toilette und Shelter), an dem wir abends zu einer Runde durch das Moor entschließen. Es geht über umgefallene Bäume, Stege und sumpfige Wege durch das Naturschutzgebiet (wir stehen außerhalb!), vorbei an Seen und durch ein Waldstück, welches 2013 von einem Waldbrand betroffen war. Hier erkennt man deutlich, wie schnell sich die Natur den neuen Gegebenheiten anpasst und aus den Schäden bald neue Lebensräume für verschiedene Tierarten werden. Mit nassen Füßen aber voller Erwartungen hinsichtlich Stockholms, geht es früh für uns ins Bett.

Den nächsten Tag starten wir früh mit einer kleinen Errungenschaft unseres letzten Einkaufs – Blaubeersoppa. Wir haben es immer wieder in den Regalen gesehen und konnten uns nicht wirklich etwas darunter vorstellen – aber sind wir mal ehrlich, es ist Blaubeere drinnen was soll also schief gehen! 😉 Kurz gegoogelt haben wir festgestellt, dass dies wohl ein typisches Dessert der Schweden ist, welches sowohl warm wie auch kalt pur oder mit Beilagen gegessen werden kann. Da es morgens dann doch recht frisch ist entscheiden wir uns für die warme Variante und ja – es schmeckt. Es ist eine Art dickflüssiger Blaubeersaft, welcher gesüßt ist. Mit Haferflocken am Morgen wirklich sehr lecker!

Gestärkt machen wir uns also auf die letzten Kilometer nach Stockholm. In der Innenstadt geparkt (klappt wirklich gut und man kann für 15 Euro 24h stehen, finden wir in Ordnung) machen wir uns auf unsere Erkundungstour. Wir starten unsere Tour beim alten Rathaus und haben von dort einen schönen Blick auf die kleine Insel die Stockholms Altstadt (Gamla stan) beherbergt. Hier zieht es uns auch als nächstes hin. Durch kleine Gassen geht es vorbei an alten Häuserfassaden und durch das bunte Treiben der Cafés, Bars, Ateliers und Lädchen. Auf einmal stehen wir vorm Stockholmer Schloss, welches äußerlich, auf uns, recht unspektakulär wirkt und nicht besonders riesig aussieht, aber strategisch günstig im Zentrum von Stockholm gelegen ist und zu den bemerkenswertesten Barockbauten Skandinaviens gehören soll. Heutzutage befindet sich in einem Teil des Schlosses die Büros der königlichen Familie und es wird zu repräsentativen und zeremoniellen Zwecken genutzt. Bewohnt wird es seit 1982 nicht mehr, daher ist der andere Teil des Schlossen inzwischen zu besichtigen und beherbergt mehrere Museen.

Auch wir besuchen ein Museum, allerdings nicht im Schloss sondern gegenüber – das Schwedische Nationalmuseum. Dies ist Schwedens größtes Kunstmuseum mit einer Sammlung von rund 16.000 Gemälden und Skulpturen sowie rund 30.000 Objekten des Kunsthandels und einer Grafiksammlung von Weltrang. Grundstock dafür legte Gustav Wasa im 16. Jahrhundert mit einer königlichen Kunstsammlung, die durch Ankäufe, Schenkungen und Kriegsbeute rasch anwuchs. Inzwischen ist diese ständige Ausstellung im Museum kostenlos und definitiv einen Besuch wert. Der Rundweg führt einen durch die verschiedenen Epochen und erklärt hierbei viele Entwicklungen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Skandinavien gelegt wird. Die Ausstellungsstücke werden vielseitig und wirklich gut erklärt und immer wieder findet man Namen, welche man auch als Nicht-Kunstexperte wiedererkennt, wie beispielsweise Rembrandt. Diese ganze Ausstellung findet sich gleichzeitig in einem Gebäude, welches durch die Archietektur und Fassadenbemalung schon allein beeindruckt. Wir haben unseren Abstecher definitiv nicht bereut und dort mehr Zeit verbracht als eigentlich angedacht. Danach haben wir uns noch ein bisschen durch die Innenstadt treiben lassen, die Insel Djurgarden mit ihren Parkanlagen besucht und auf dem Rückweg noch einen Abstecher zu den Östermalmshallen (Markthalle mit schwedischen Spezialitäten) gemacht. Uns hat dieser kleine Einblick von Stockholm richtig gut gefallen und wir können uns gut vorstellen, dass man auch noch länger dort verbringen kann. Da es sich bei uns dann aber gegen Nachmittag ziemlich zugezogen hat, haben wir uns entschieden die Nacht nicht in Stockholm, sondern außerhalb in der Natur zu verbringen.

Und auch der nächste Tag ist durch Städtebesichtigung und Kultur geprägt. Wir besuchen erst die kleine Stadt Sigtuna, welche kleine Gassen mit alten Holzhäusern und eine Kirche aus dem 13. Jahrhundert für uns bereithält. Danach geht es nach Uppsala, einer Studentenstadt mit viel Flair. Hier werden wir aber erstmal durch Polizisten an jeder Ecke begrüßt und es dauert einen Moment, bis wir realisieren, dass wir den 1. Mai haben und überall in der Stadt Demos sind, welchen wir auch immer wieder begegnen. Die Einen mit guter Musik und gegen den NATO-Beitritt, die Andere für die EU und alle für Frieden, Gleichheit und mit guter Laune! Durch diesen ganzen Trubel lassen wir uns also eher durch die Stadt treiben, laufen mal am Schloss vorbei, aber schauen uns nichts besonders an, sondern genießen einfach die Atmosphäre.

Abends wollen wir dann aber wieder in die Natur – das waren jetzt genug Menschen! 😉 Wir finden einen schönen Stellplatz an einem See mit einem Sandstrand… und dann passiert es… gerade noch gesagt: „Hoffentlich fahren wir uns hier nicht fest!“ und uns dazu entschieden umzudrehen, bleiben wir auf dem Rückweg stecken. Und es hilft nichts mehr. Kein Buddeln, kein Holz und auch nicht der nette Schwede der hält und uns aus dem Sand ziehen möchte. Er hat Erfahrung - „Er kommt vom Land, da fährt sich jeder mal fest. Er selbst würde auch regelmäßig irgendwo feststecken.“ Ähm, okay. Wir hoffentlich nicht. 😉  

Aber zum Glück sind wir auf dem Land und jeder kennt irgendwie Jeden, also wird RuckZuck der Bekannte mit dem Traktor angerufen, welcher uns mit einem breiten Grinsen rauszieht und nur sagt „Keine Sorge. Das passiert hier ständig“. Auch das Geld als Dankeschön wird abgelehnt, daher gibt es auch hier eine selbstgemachte Marmelade – hat wohl doch einen Grund, warum wir so viel eingepackt haben…

Wir machen es uns dann gegenüber im Wald gemütlich, zwar ohne Sandstrand, aber auch mit direktem Seezugang (wir sind auf einer schmalen Insel) und starten in einen gemütlichen Abend mit Feuer. Hier entscheiden wir dann auch, dass wir nur noch knapp 2 Wochen in Schweden haben – wir wollen am 17. Mai in Norwegen sein, da uns nahe gelegt wurde den Nationalfeiertag der Norweger einmal mitzuerleben, wenn wir in der Nähe sind. Daher passen wir unsere Route an und machen uns erstmal zwei gemütliche Tage am See mit viel lesen, kochen und Feuerchen. Es gefällt uns an diesem Ort einfach zu gut, um weiterzuziehen und die nächste Etappe wird größer. Wir fahren zum Skuleskogen Nationalpark, welcher rund 5h Fahrzeit entfernt liegt.

Dieser Nationalpark ist ein absolutes Muss auf unserer Liste gewesen. Er liegt an den Höga Kusten, den Steilklippen von Schweden, welche 2000 zum UNESCO Weltnaturerbe erklärt wurden. Den Nationalpark selbst macht vor allem seine Vielfältigkeit besonders. Er bietet nicht nur hohe Berge und tiefe Täler und Schluchten, sondern kann auch auf eine beeindruckende Geschichte zurückblicken, mit Weltrekorden in Landhebungen und uralten Wäldern mit seltenen Tier- und Pflanzenarten. Wir finden hier rötliche Felsen, besondere Küsten und Nadelwälder zwischen Süd und Nord.

Kein anderer Teil der Welt stand während der Eiszeit unter einem solchen Druck des Inlandeises, wie dieser Teil Schwedens. Nachdem das Eis geschmolzen war, begann sich das Land aus dem Meer zu erheben und noch immer wächst das Land nahezu einen Meter in 100 Jahren in die Höhe. Daher erkennt man auf den Bergen des Nationalparks, welche vor ca. 9000 Jahren noch kleine Inseln waren, den Übergang (auch in der Vegetation) von den Moränen zum kahlgespülten Teil der Berge. Das gesamte Material der Moränen wurde von den Wogen des Meeres fortgespült und sammelt sich nun in Form von abgeschliffenem Geröll an den Berghängen. Und in dieser besonderen Umgebung findet sich auch eine besondere Vegetation.

Durch die besondere Lage gedeihen Gebirgsflora und südliche Waldvegetation in direkter Nachbarschaft. Viele der südlichen Pflanzen stoßen hier und in der Umgebung an ihrer nördliche Verbreitungsgrenze. Daher findet man beispielsweise an den Südhängen Ahorn und vereinzelte Haselstäucher im üppigen Nadelwald. In den sedimentreichen Tälern ist der Nadelwald besonders hochgewachsen und vermittelt einen fast urwaldartigen Eindruck, während die andere Hälfte des Nationalparks aus lichtem Felsenkiefernwald besteht, mit Bäumen die seit teils mehr als 500 Jahren den extremen Wetterbedingungen und Temperaturschwankungen zwischen Winter und Sommer ausgesetzt sind. Uns begegnet auch immer wieder, als erster Frühlingsbote, das lila blühende Leberblümchen am Wegesrand. An den Nordhängen und in den Schluchten findet man hingegen eher Gebirgsflora mit beispielsweise Alpen-Lichtnelken, welche aber erst später im Jahr in Erscheinung treten.

Und in so einer vielfältigen Umgebung gibt es natürlich auch viel Leben. Neben zahlreichen Vögeln, wie Spechten, dem Auerhahn und dem Haselhuhn findet sich auch Insekte sowie Säugetiere. In dem bergigen Gelände hält sich der Luchs und der Schneehase versteckt, während in den Wald die Elche, Rotfüchse, Hermeline, Mader und Bieber ihre Spuren hinterlassen. Und Spuren gibt es natürlich auch vom Menschen, über mehrere Jahrhunderte wurde der Wald als Weideland und das Moor zu Heuernte genutzt, daher findet man noch heute einige alte Sennerhütten in den Wäldern versteckt. Und auch schon früher fand sich der Mensch in dieser Umgebung wieder – alte steinerne Grabhügel an der Küste weisen auf Menschenleben in der Bronzezeit hin.

Um uns selbst ein Bild von diesem wundervollen Fleckchen Erde zu machen, starten wir an dem Tag nach unserer Ankunft eine große Wanderung von über 22km durch den Nationalpark. Bei frühlingshaften Temperaturen und Sonne geht es über Schneefelder durch Wälder und Moore, entlang an zugefrorenen Seen, plätschernden Bächen und Wasserfällen, bis zur Küste wo wir uns am Strand in der Sonne aufwärmen können. Danach erforschen wir Hügelgräber, kraxeln durch Schluchten und erklimmen Berge. Mit schweren Beinen und vielen Eindrücken können wir nach diesem Tag sagen – dieser Nationalpark lohnt sich!

Wir sind müde, aber glücklich und die nächsten 2 Tage steht sowieso Erholung auf dem Programm. Wir haben eine kleine Wohnung gemietet und müssen mal wieder unsere Klamotten richtig waschen (Seewasser hilft auch nur bedingt gegen Rauchgeruch 😉). Noch kurz einen Großeinkauf, um die Vorräte für Norwegen aufzustocken (Lidl gibt es nicht mehr so häufig an unserer weiteren Strecke, und leider auch nicht in Norwegen. Da wird es dann deutlich teurer.) und wir lassen es uns so richtig gut gehen! Getrennte Betten, eine warme Dusche und viel leckeres Essen – was will man mehr!

Wanderung durch Fjällmossen

Lecker war's... 

Funfact: Wer noch nicht in Stockholm war, dem ist vielleicht nicht der besondere Aufbau der Stadt bewusst. Grob kann man sagen, dass die verschiedenen Stadtteile auf unterschiedlichen kleinen Inseln verteilt sind, welche recht nah beieinander liegen und durch Brücken verbunden sind – dies nennt man auch den Stockholmer Scherengarten.

Einmal durch Stockholm 

Das kleine gemütliche Sigtuna. 

1. Mai in Uppsala 

Entspannung am See

Der wunderschöne Skuleskogen Nationalpark 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.

Erstelle deine eigene Website mit Webador