Die Tage in der Unterkunft liegen hinter uns und nach einem letzten Telefonat mit den Eltern (es ist schließlich Muttertag!) geht es wieder auf die Straße. Unser nächstes Ziel liegt noch etwas weiter im Norden und Landesinneren – der Vildmarksvägen.
Was ist das Besondere an einer asphaltierten Straße irgendwo in Schweden fragt ihr Euch vielleicht… warum soll man da extra hinfahren?
Der Vildmarksvägen ist die höchste asphaltierte Straße Schwedens und im Mai auch nur zu Teilen befahrbar. Erst im Juni wird eine Fahrbahn in den Schnee des Hochplateaus gefräst und man fährt entlang von teils 6m hohen Schneewänden. Wir sind zu früh und das Stück ist noch gesperrt, daher erkunden wir nur den unteren Straßenabschnitt. Entlang der Vildmarksvägen gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten und man findet immer wieder auch Spuren der Samen, einem Volk von Rentierzüchtern die in Skandinavien leben.
Wir verbringen eine Nacht am Anfang der Straße, in Mitten von Schneeflocken und an einem zugefrorenen See. Am nächsten Morgen geht es dann voller Erwartungen los und wir werden nicht enttäuscht. Hinter jeder Ecke wartet eine schönere Aussicht und wir müssen uns zusammenreißen nicht alle hundert Meter auszusteigen um Fotos zu machen. Unser erstes größeres Ziel ist der Hällingsfållet, welcher allerdings etwas abseits am Rande einer Schotterstraße liegt. Hier begegnen wir nun auch keiner Menschenseele mehr und werden nur regelmäßig durch Vögel aufgehalten, welche sich mitten auf die Straße stellen und von unserem Auto nur bedingt beeindrucken lassen.
An der Abzweigungen zum Wasserfall endet dann unsere Fahrt, da die Straße eine einzige Eisfläche wird – das müssen wir dann doch nicht mit dem Auto ausprobieren… also werden die Wanderschuhe geschnürt und es geht zu Fuß weiter.
Im Gang der Pinguine watscheln wir die knappen 4km Straße hoch um mit einem großartigen Wasserfall belohnt zu werden. Und wir haben ihn ganz für uns alleine – kein anderer Mensch scheint sich die letzten Tage hier hoch verirrt zu haben. Wir finden nur zahlreiche Tierspuren und Hinterlassenschaften, die wir Laienartig dem Elch zuordnen würden.
Der Hällingsfållet stürzt sich 43 Meter die Bergwand herunter um unten einen der größten „lebendigen“ Canyons von Schweden zu formen. Dieser ist 800m lang und zwischen 15 und 60m breit und bietet noch eine ganz eigene spektakuläre Aussicht. Entlang der Canyonwände und gegenüber vom Wasserfall finden wir zu dieser Jahreszeit noch dicke Eisschichten und Eiszapfen.
Wir entscheiden uns den schneebedeckten und teils recht rutschigen Wanderweg entlang des Canyons zurück zum Auto zu nehmen, da wir uns diese faszinierende Natur nicht entgehen lassen wollen. Vorsichtigen Schrittes geht es also bergab, mit regelmäßigen Pausen und staunen über die wunderschöne Aussicht. Ein Kreischen lässt uns aufhören und wir entdecken ein Steinadler am Himmel, der extra für uns noch ein paar Runden über die Schlucht und die Baumwipfel dreht.
Am Ende des Canyons stehen wir dann vor der nächsten Herausforderung. Wir sehen unseren Wanderweg auf Grund von teilweise knietiefen Schneefeldern nicht mehr… also geht es grob am Weg orientiert, durch den Wald in Richtung Straße und dort angekommen, mit nassen Füßen aber glücklich und zufrieden, zum warmen Auto. Der kurze Abstecher wurde dann doch auf Grund der Begebenheiten eine kleine Wanderung von mehreren Stunden.
Wieder im Warmen fahren wir zum nächsten Ziel. Am Straßenrand wird der Schnee immer höher, die Berge kommen näher und die Seen sind inzwischen fast vollständig gefroren und man entdeckt einzelne Eisfischer mit ihren Schneemobilen auf ihnen. Auch hier können wir uns einzelne Zwischenstopps zum staunen und fotografieren nicht verkneifen. Aber der Tag ist ja lang und die Sonne geht im Norden spät unter. 😉
In Ankarede angekommen erkunden wir das kleine Samendorf und machen uns erstmal etwas vertraut mit der Kultur der Samen (mehr dazu in einen späteren Beitrag, wenn wir noch mehr dazu gelernt haben). Aktuell ist es verlassen, da es nur im Sommer bewohnt wird und wieder haben wir einen Ort ganz für uns alleine zum erkunden.
Die nächsten Wasserfälle die wir ansteuern sind „leider“ noch so vom Schnee bedeckt, dass wir sie nicht sehen können und daher ist die letzte größere geplante Station die Schranke vorm Hochplateau. Hier finden sich jetzt schon Stellen an denen der Schnee neben der Straße höher als unser Auto ist und das Bergpanorama ist diesen Abstecher definitiv wert.
Eigentlich war der Plan am nächsten Tag im Nationalpark etwas wandern zu gehen. Aber dadurch das unsere Wanderschuhe nass und bei Ankunft absolut keine Wege im Schnee zu finden war, planen wir um, suchen uns einen Schlafplatz an der Straße mit einem kleinen Toilettenhäuschen und schlafen mit vielen tollen Eindrücken und ohne Verkehr auf der Straße (wer fährt schon aktuell so hoch) friedlich ein.
Am nächsten Tag geht es zurück, diesmal mit strahlenden Sonnenschein und wir genießen wieder die Aussicht und die Winterlandschaft, die für uns Mitteleuropäer absolut beeindruckend bleibt. So große zugefrorene Seen kennen wir dann doch nicht.
Der weitere Plan ist entlang der Europastraße wieder runter in den Süden zu fahren, um dann auf Höhe von Oslo die Grenze nach Norwegen zu kreuzen. Von den nächsten Tagen erwarten wir keine großen Highlights mehr, sondern eher größere Fahrten und viel Wald und Natur. Aber nicht mit Schweden!
Schon am überlegen was das Abendessen für heute wird und ganz entspannt zurückgelehnt entdecken wir auf einmal große braunen Rücken am Straßenrand. Die Aufregung und Freude ist so riesig, dass wir drei Elche (ein größerer mit zwei Teenager-Elche, würden wir schätzen) sehen, dass die Fotos die dabei entstehen dann nur noch den Popo von Einem zeigen. Mit zittrigen Händen und fast den Freudentränen in den Augen händelt sich die Kamera halt schlecht. Aber egal! Wir haben sie gesehen und das richtig gut! Ein Traum ist in Erfüllung gegangen und wir haben gelernt, wie immer kommt das größte Highlight wenn man es am wenigsten erwartet. Vielleicht sehen wir ja während unserer Reise noch welche und wir haben die Chance an unserer Contenance zu arbeiten.
Nach einer ruhigen Nacht an einem See neben der Europastraße geht es dann weiter. Überall finden sich schöne kleine Rastplätze neben Seen, Flüssen und beim fahren sieht man die Weiten der Schwedischen Wälder. Egal in welche Richtung man blickt, bis zum Horizont Wälder - Hügel mit Wald, Täler mit Wald und da wo kein Wald ist sieht man die Überbleibsel von Waldbrände.
Kurz vor der norwegischen Grenze finden wir dann auch einen Stellplatz an dem wir länger bleiben wollen. Mitten auf einer Lichtung stehen wir vier Nächte komplett ungestört und sehen keine Menschenseele. Es gibt einen kleinen Bach an dem wir unser Wasser zum abwaschen und Wäsche waschen holen können und an einem Morgen gönnen wir uns auch ein kleines Bad mit Kübeldusche (Eimer über den Kopf und kurz kreischen, weil es so kalt ist…). Seife nutzen wir natürlich nur mit genügend Abstand zum Wasser, darauf sollte man schon achten.
Hier probieren wir auch zum ersten Mal unser Solarpanel aus. Wir haben eine Art große Powerbank mit (Jackery 500), welche unseren Kühlschrank betreibt und uns immer Strom zu Verfügung stellt. Normalerweise reicht die Kapazität um beim nächsten fahren wieder nebenher aufgeladen zu werden, bei längeren Pausentagen kam sie nun dann aber an ihre Grenzen. Also ging es ans „sonnenmöllern“. Morgens das Solarpanel raus und regelmäßig in Richtung Sonne ausrichten. Mit einem sonnigen Tag konnten wir so schon wieder den Akku auf über die Hälfte laden. Wir sind begeistert!
Und dann geht es nach Norwegen. Den Übergang bemerken wir nur durch die schlagartig bessere Straßenqualität und die orangene Straßenmarkierung. Wir fahren direkt nach Oslo, auf einen Stellplatz der uns schon von einem vorherigen Urlaub bekannt ist. Direkt oben hinterm Holmenkollen, an einem kleinen See darf man 48h kostenlos stehen. Und inzwischen gibt es sogar saubere Toiletten und Frischwasser. Wir sind zufrieden und fahren erstmal mit der Bahn in die Stadt. Diese kennen wir beide schon, daher geht es in die neue Deichmann Bibliothek (eine Sehenswürdigkeit für sich) das kostenlose WLAN nutzen und einige organisatorischen Dinge erledigen. Anschließend noch ein bisschen durch Oslo schlendern und zurück zum See die Sonne genießen.
Für jeden der Oslo noch nicht kennt, wir können die Stadt nur wärmstens empfehlen! Ob von Kurztrips oder 3-monatigen Wohnen dieser positive Eindruck hat sich immer bestätigt. Oslo ist für eine Hauptstadt recht ruhig. Die Innenstadt ist recht übersichtlich und gemütlich, die Außenbezirke nicht zu „großstadtmäßig“ und die Lage unschlagbar. Direkt am Fjord gelegen, kann man mit dem günstigen Bahnticket auch die vorgelegenen Inseln besuchen oder auf der anderen Seite die Berge hochfahren und in den riesigen Waldgebieten wandern gehen. Also man findet alles was man braucht – Kultur, Flair und Natur.
Am ersten vollen Tag in Oslo nutzen wir die Sonne und machen uns auf zu einer Wanderung durch die Wälder. Wir kommen vorbei an einem Moor, treffen nur wenige Menschen und finden an Seen immer wieder kleine Camps von Leuten die eine Nacht dort verbringen möchten. Dies reizt uns nun auch schon lange und wir nehmen uns fest vor, bald auch mal so eine Tour mit Übernachtung zu starten. Abends kochen wir am See unser Abendessen und genießen die letzten warmen Sonnenstrahlen bevor es dann ins Bett geht. Morgen geht es früh raus – der Grund unseres Oslos Besuchs steht an. Der Nationalfeiertag der Norweger.
Morgens klingelt der Wecker um sieben und wir machen uns fertig für den Tag. Auf der Fahrt in die Stadt entdecken wir schon die ersten Anzeichen der Feierlichkeiten. Alles ist mit der norwegischen Fahne geschmückt und die Norweger sammeln sich schick angezogen (mit Trachten - „Bunads“, schicken Kleid oder Anzug.) In den Händen halten sie alle möglichen Leckereien die für das traditionelle Festtagsfrühstück im Kreis von Familie und Freunden vorbereitet wurde.
Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr raus - eine Tracht ist schöner als die Andere. Mit aufwändigen Stickereien, in den unterschiedlichsten Farben, mit Hauben oder Kränze – die Vielfalt ist überwältigend. Und jede dieser Tracht lässt sich einer Region zuordnen. Wir fühlen uns teilweise an Prinzessinnen aus dem Mittelalter erinnert und können den Stolz mit denen die Trachten, egal in welcher Altersklasse, getragen werden sehr gut nachvollziehen.
In der Innenstadt angekommen hören wir schon die erste Blaskapelle und begeben uns in Richtung Schloss. Wir hatten gelesen, dass es kostenlose Karten für den Schlossplatz gibt, an denen der „Barnetorget“ von der Königsfamilie begrüßt wird – die haben wir uns natürlich direkt organisiert. Dort angekommen ist noch recht wenig los und wir suchen uns einen schönen Platz mit gutem Blick auf das Schloss und dem Streckenverlauf.
Der „Barnetorget“ (Kinderumzug) ist der Mittelpunkt des Nationalfeiertags. In ganz Norwegen ziehen die Schulen durch die Straßen und feiern ihr Land. In Oslo wird dieser Umzug jedes Jahr von der Königsfamilie begrüßt, welche vom Balkon des Schlosses den Schülern fleißig zuwinkt.
Als Vorgeschmack kommt eine bunte Truppe, angeführt von einer Kutsche mit einer Geigerin, auf den Schlossplatz vorgefahren. Und diese begeistern mit traditionellen Tänzen, die unseren Eindruck des höfischen Mittelalters (in absolut positiven Hinblick) verstärken. Als die Königsfamilie dann den Balkon betritt geht ein Jubeln durch die Menge und es wird fleißig geklatscht. Die ersten Töne der norwegischen Nationalhymne erklingen und wir sind mitgerissen. Aus tiefsten Herzen stimmen die Norweger um uns ihre Hymne an und obwohl wir, als Deutsche - dem nationalistischen eher von Geburt an skeptisch gegenüber stehend - sind wir in dieser wunderbaren, friedlich und fröhlichen Stimmung gefangen.
Angeführt durch Blaskapellen kommen die ersten Schulen mit ihren Trachten, Fähnchen und feiern, tanzen, lachen und rufen immer wieder „Hipp Hipp Hurra“. Die Kinderaugen glänzen, wenn sie den Blick auf die Königsfamilie erhaschen und die großen Fahnen werden zu ehren des Königs vorm Schloss gesenkt. Wir können uns gar nicht satt sehen an den tollen Trachten, den Stolz in den Kinderaugen und der mitreißenden Freude um uns herum.
Was wir allerdings unterschätzt haben ist die Länge des Zuges. Dieses Jahr haben so viele Schulen am Umzug teilgenommen, wie noch nie zuvor. Knapp 130 Schulen und danach kommen noch die „Russ“ – die diesjährigen Abiturienten, gekleidet in roten und blauen Overalls.
„Russ“ kommt von „Hörner abstoßen“ und das haben sie, den müden Augen nach zu urteilen, die letzten Nächte ausgiebig genutzt. Es ist vergleichbar mit den Mottowochen in Deutschland und der Nationalfeiertag und sein Umzug bilden den Abschluss.
Wir machen es den Norwegen nach und ziehen nach einigen Stunden weiter. Beim schlendern durch die Stadt sieht man die Familie und Freundeskreise beim Picknicken im Park, Eis essen oder einfach gemeinsam die Sonne genießen. Auch hier verfestigt sich unser Eindruck das die Stimmung dieses Nationalfeiertages eher die eines Kinderfestes hat, bei dem alle einfach gut gelaunt sind und einen schönen Tag miteinander verbringen möchten. Wir landen an der Oper und genießen auf dem Dach die Mittagssonne.
Abends geht es für uns dann noch weiter. Die 48h sind um und wir suchen uns einen neuen Stellplatz. Dabei landen wir an einem kleinen Fluss in der Nähe der Stabkirche Heddal und lassen den Tag bei einem kleinen Spaziergang und einem leckeren Abendessen in der Sonne ausklingen und kommen zum Schluss: Nationalfeiertag in Norwegen - das lohnt sich!
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