Nachdem wir mit der Fähre nach Tallinn übergesetzt haben fuhren wir direkt Richtung Unterkunft. Eine Nacht haben wir in einer kleinen Wohnung gebucht und der Weg dorthin führte uns einmal vorbei an Tallinn.
Unser erster Eindruck – Plattenbauten und alte, Betonstraßen und alles ein bisschen heruntergekommen. Als wir dann an unserer Unterkunft ankamen, im übrigen auch ein Plattenbau, starteten wir schon kurze Zeit später in die Stadt.
Laut Google nur 30 Min entfernt, entschieden wir uns zu laufen und schon die erste Querstraße bestätigte uns in unserer Entscheidung. Entlang von alten Holzhäusern ging es kleine, ruhige Straßen entlang – als wir dann die falsche Abbiegung nahmen landeten wir, durch Zufall, noch im modernen In-Viertel Tallinns, Kalamaja. Ein ehemalig durch Industrie geprägtes Viertel beherbergt nun Galerien, Cafés, und Bars neben unglaublich viel Streetart, direkt am Bahnhof findet sich zudem noch ein großer Marktplatz inklusive Markthalle. Wirklich ein schöner Stadtteil mit unglaublich viel zu entdecken!
Sobald man am Bahnhof die Straße überquert hat, landet man in der Altstadt Tallinns. Mittelalterlich geprägt findet man neben Kopfsteinpflastergassen, viele alte Gebäude und Sehenswürdigkeiten. Wir steigen direkt erstmal auf den Domberg, lassen uns durch die Gassen treiben und schauen uns die Kathedrale und die alte Festungsanlagen etwas genauer an.
Danach geht es vorbei am „Kiek in de Kök“, einem ehemaligen Kanonenturm. Der Name lässt sich übrigens aus der deutschsprachigen Geschichte im Baltikum ableiten, im Mittelalter nannten so die Leute Türme, welche so hoch waren, dass man den Leuten „in die Küche gucken“ konnte. Die Name blieb.
Interessanter Weise haben wir auch viele ältere Menschen eine Mischung aus Deutsch und einer anderen Sprache, vermutlich Estnisch, sprechen hören. Deutsch ist auch heute noch recht weit verbreitet, nun als Zweitsprache.
Anschließend sind wir Richtung Rathausplatz um uns wieder in den Gassen zu verlieren. Ein Tipp den wir vorher bekommen haben, bewahrheitete sich – jede kleine Gasse oder Toreinfahrt, kann einen noch schöneren Hinterhof offenbaren. Und so sind wir durch die kleinsten Gassen geschlendert, und haben jede Menge entdeckt. Dabei sind wir auch auf die mittelalterliche Katharinengasse gestoßen, welche nicht nur malerisch aussieht sondern auch einige Lädchen mit traditioneller Handwerkskunst beherbergt.
Der Tag in Tallinn ist nur so verflogen und wir haben uns hungrig auf die Suche nach Essen begeben. Mitten in der Altstadt, in einer kleinen Seitengasse zum Rathausplatz haben wir einen kleinen Italiener gefunden, welcher überraschend günstige Preise hatte. Es gab also für jeden eine große Pizza während wir in der warmen Abendluft sitzen und die vorbeischlendernden Leute beobachten. Das hat richtig das Gefühl von Sommerurlaub im Süden vermittelt, und das im nördlichsten Land der baltischen Staaten.
Nach der Pizza und dem ganzen „Stadtgegucke“ waren wir dann auch dementsprechend platt und haben uns zurück auf den Weg in die Unterkunft gemacht. Nach einer ruhigen Nacht und einer erfrischenden Dusche am Morgen ging es für uns wieder in die Innenstadt. Erstmal knurrte der Magen und Frühstück musste her. Da wir am Tag vorher schon eine Bäckerei entdeckt hatten, entschieden wir kurzerhand da wird es mit Sicherheit etwas für uns geben. Und wir wurden nicht enttäuscht.
Die Estnisch Küche wurde vorallem durch die russische und die Deutsche Küche beeinflusst. Hier in der Bäckerei merkte man den deutschen Einfluss stark und es gab eine riesige Auswahl an Plunder und Teilchen, die alle so lecker aussahen, dass man sich kaum entscheiden konnte. Während Maike sich für Apfeltasche und Nussecke entschieden, gab es für mich zur Apfeltasche eine obligatorische Zimtschnecke. Ich muss ja meinen Zimtschnecken – Test fortführen. Und was soll ich sagen – wieder unglaublich lecker! 😍
Beim frühstücken fiel unser Blick dann auf die Brotauslage und schnell war klar – hier nehmen wir was mit. Wir entschieden und für ein kräftiges Graubrot mit schöner Kruste und einem Schwarzbrot. Dieses ist in Estland übrigens sehr beliebt und wird aus Roggenmehl und Sauerteig gebacken. Sehr dunkel und unglaublich lecker! Die Bäckereiverkäuferin schien unser Schwärmen mitbekommen zu haben und verkaufte mir das Brot gerne und mit einem breiten Grinsen, nachdem sie anfangs, wie viele Esten, eher reserviert und wortkarg war.
Nach dieser Stärkung ging das erkunden der Stadt weiter, wieder ließen wir uns treiben und wieder entdeckten wir neue kleine Gassen. Gegen Mittag wollten wir dann aber langsam weiter. Noch kurz eingekauft fürs Abendessen (Gemüse was nicht zu teuer ist und wie Gemüse aussieht – nicht wie in Deutschland auf Hochglanz poliert. Zwei Möhren ergaben fast eine ganze Mahlzeit.) und ab ging es Richtung Nationalpark Lahemaa. Hier machen wir erst einen kleinen Abstecher zum ehemaligen, geheimen sowjetischen U-Boot Hafen. Dieser wurde, wie übrigens viele alte Gebäude aus dieser Zeit, umfunktioniert und bietet jetzt Platz für Freizeitaktivitäten wie segeln oder campen. Wir gucken uns allerdings nur die Ruinen an und müssen sagen, war ganz nett aber die 6 Euro Eintritt nicht wirklich wert. Wir haben gehofft mehr zu lernen, konnten im Endeffekt aber nur in Erfahrung bringen, dass die Bevölkerung zwangsumgesiedelt und der Leuchtturm abgerissen wurde, damit dieser Hafen errichtet werden konnte. Hier wurden Schiffe und U-Boot entmagnetisiert, damit sie nicht so leicht zu entdecken waren.
Es gab noch einen anderen Ort, welchen wir recht interessant fanden – ein Arles Gefängnis welches inzwischen halb Unterwasser ist und welches mit Tauchen oder beim Besuch des Schwimmbades erkundet werden kann. Leider lag dies nicht auf unserem Weg und das Wetter lud nicht richtig zum Baden ein, daher haben wir dorthin keinen Abstecher gemacht. Wir mögen aber den Gedanken das die Geschichte weiterlebt, aber gleichzeitig nicht nur ein Museum wird, sondern Raum für schöne Aktivitäten bietet.
Nach dem erkunden des Hafens entschieden wir uns Richtung Stellplatz für die Nacht zu fahren. Da Nationalparks vom Jedermannsrecht ausgenommen sind und somit das campen verboten ist, fuhren wir zu einem der RMK-Plätze. Dies sind Campingplätze in den Nationalparks oder Naturschutzgebieten, welche vom Land angelegt wurden und mit Grillstelle und Toiletten ausgerüstet sind.
Dementsprechend voll war es dort dann auch, aber trotzdem hatten wir eine kleine Ecke für uns. Dieser Campingplatz lag am nördlichsten Punkt Estlands und somit auch direkt an der Küste – heißt weniger Mücken – juhu! Mit Jacke eingemummelt, da der Wind doch recht frisch war, saßen wir in der Abendsonne und freuten uns diebisch über unser leckeres Brot und das Gemüse, mit richtigem Geschmack. Manchmal kann Genuss so einfach sein.
Nach einem gemütlichen Frühstück in der Sonne ging es für uns dann weiter rein in den Nationalpark – wir möchten etwas wandern gehen. Vorher machen wir noch einen kurzen Abstecher zum nächsten „Lost Place“ – einem alten Wasserwerk, wo man über die alten Überreste klettern kann.
Danach fahren wir wieder an die Küste zu unserem Ausgangspunkt der Wanderung.
Hier machen wir auch das erste Mal Bekanntschaft mit den richtigen Schotterwegen Estlands – vorher noch ganz gut ausgebaut, ging es jetzt nicht nur über Kies sondern auch über tausend kleine Hügel und Schlaglöcher. Angekommen am Parkplatz folgen wir dann dem Strand entlang mit zur Spitze der Halbinsel, auf der einen Seite das Meer und auf der anderen Seite Wald – es ist unglaublich ruhig und idyllisch. Den Rückweg führt uns dann durch diesen Wald, kleine Wege, sonnendurchfluteter Wald mit Blaubeeren und hohen Gräsern und zwischendurch ein paar Felsen machen den Anblick unglaublich einladend und freundlich.
Bevor es dann zu unserem Stellplatz kommen, nehmen wir auch noch die Burgruine von Toolsen mit. Diese alte Burg ist mit einigen Hinweisschildern gut beschrieben und wir stellen wieder einmal fest – hier gab es schon früh und häufig Unruhen und der livländische Orden war häufig der Ursprung der ersten Burgbauten, während der Livländische Krieg und der Große Nordische Krieg häufig Grund der Zerstörungen war.
Unser Stellplatz befindet sich dann wieder an der Küste. Bis runter an den Strand trauen wir uns dann nicht – wir haben ja schon unsere Erfahrungen mit Sand gemacht, die Esten scheine da aber etwas schmerzfreier. Nach einem entspannten Abend am Strand gibt es dann auch schon Abendessen um dann gespannt ins Bettchen zu gehen – warum gespannt? Wir sind mitten im Bärengebiet. Richtig gehört – Estland hat eine große Population an Bären, rund 700 und wir befinden uns mit unserem Stellplatz an einem Ort wo besonders viele Bären angesiedelt sind. Richtig viel Hoffnung auf eine Sichtung haben wir nicht, sind dann doch ziemlich viele Menschen, aber vielleicht hat man ja Glück… ein Hund schlug zwar im Morgen mehrfach an, aber einen Bären haben wir leider trotzdem nicht gesehen. Vielleicht war doch einer in der Nähe, oder er hat was anderes gerochen – wissen werden wir es wohl nie. Also keine Bären für uns!
Wir machen uns einen entspannten Morgen und gegen Mittag geht es für uns dann weiter. Die Vorräte müssen dringend aufgefüllt werden. Im nächsten größeren Örtchen finden wir dann nicht nur einen Supermarkt (und Einkaufsläden, die uns ein luftiges Hemd und Hose für die warmen Tage bescheren) sondern auch die nächste Burg. Die Burg Wesenberg ist beliebtes Freizeitziel, da hier anscheinend viele Angebote für Kinder stattfinden – inklusive Personal in mittelalterlicher Tracht. Wir schlendern aber nur einmal um das Gelände und fahren dann weiter zu unserem nächsten „Lost Place“. Auf der Suche nach Stellplätzen für die Nacht sind wir auf eine verlassene Raketenbasis aufmerksam geworden. Diese liegt unweit einer zweiten und ein kleiner Zwei-Mann Bunker ist auch auf dem Weg. Das wollen wir uns dann mal genauer anschauen.
Die Raketenbasis von Rohu stammt aus der sowjetischen Zeit und ist heute frei erkundbar. Die Hanger sind in verschiedenen Verfallzuständen und einige von ihnen laden zum erforschen ein. Mit Taschenlampen ausgerüstet klettern wir also durch alte Hanger, entdecken alte Schriften und moderne Zeichnungen und begegnen einem Trupp Esten mit ihren Quads. An einem dieser Hanger wurde wieder ein offizieller Campingspot errichtet – dieser ist aber schon besetzt und es sind uns auch zu viele Fliegen und Mücken. Wir gucken uns also noch den kleinen Bunker und die zweite Raketenbasis an. Wirklich spannend!
Zum schlafen fahren wir dann aber lieber an den nächsten See, der erste Badesee von vielen – denn die Esten haben nicht nur viele Seen und unglaublich viele Stege dort, nein diese sind auch gut ausgestattet und viele haben offizielle Campingplätze an denen man kostenlos die Nacht verbringen kann. Dieser ist vermutlich ein alter Baggersee, glasklar und mit tollem Steg an dem wir unser Abendessen kochen. Irgendwann bekommen wir dann Besuch von einem großen, lieben Schäferhund. Zuordnen wohin er gehört können wir nicht, aber er scheint recht entspannt. Die Badegäste lachen nur und einer fängt auf einmal an zu telefonieren – kurze Zeit später kommt hupend ein Auto vorgefahren, der Hund springt auf und folgt diesem Auto schwanzwedelnd die Straße entlang. Scheint wohl häufiger vorzukommen das er dem See ein Besuch abstattet und vom Auto wieder nach Hause geleitet wird. 😅
Da es am nächsten Tag nur regnet bleiben wir eine weitere Nacht und genießen die Ruhe dieses Stellplatzes, lesen etwas und entspannen bevor wir Estland weiter entdecken. Der nächste Tag startet zwar etwas bewölkt, aber die Wettervorhersage ist gut also fahren wir zum Sooma Nationalpark. Dieser Nationalpark besteht aus einem riesigen Moorgebiet, welches wir auf den angelegten Stegen durchqueren. Später finden wir raus, dass man auch eine Wanderung mit Moorschuhen (sehen aus wir Schneeschuhe) machen kann – klingt auch spannend. 😉
Die Stegtour ist aber auch nicht schlecht, vorbei an kleinen Moorseen, welche wieder mit Badesteg ausgestattet sind, geht es durch die wunderschöne Landschaft und überall brummt und schwirrt es. Richtig schön!
Da die Tour aber nicht riesig ist, entscheiden wir uns dafür noch das Städtchen Viljandi (oder auch Fellin, so richtig haben wir noch nicht raus, welche Namen jetzt gelten, da viele Städte zwei zu haben scheinen) an. Die Stadt ist ganz nett, hat eine alte Ruine und zwei, drei Straßen Altstadt mit bunten Holzhäusern. Besonders ist hier auch der Wasserturm, welcher fleißig von ein paar Künstlern auf dem davor liegenden Platz gemalt wurde.
Danach geht es wieder zu einem See. Hier kommen wir mit einer Berliner Familie (mit Bautzener Kennzeichen, und die Herkunft war auch nicht zu verleugnen) ins Gespräch, mit denen wir Tipps für die Weiterreise ausgetauscht haben, da wir die entgegengesetzte Strecke fahren.
Nach einem entspannten Abendesseen und einem kleinem Spaziergang ging es dann auch für uns ins Bett. Morgens früh wach, nutzen wir das gute Wetter und den See und starten den Tag mit einer kleinen Baderunde. Das tut richtig gut!
Anschließend führt uns unser Weg nach Tartu/Dorpat, der ältesten Stadt der baltischen Länder und Universitätsstadt.
Hier finden wir auf dem Domberg, die Ruinen des mittelalterlichen Doms und einige Gebäude der Universität, welche sich die alten Gemäuer hergerichtet haben. Unten in der Altstadt gibt es einige Einkaufsgassen und das Rathaus. Besonders gut hat uns aber der botanische Garten gefallen, welcher zwar nicht riesig, aber umso liebevoller und abwechslungsreicher gestalten wurde. Nur die Tiere die dort auf engstem Raum leben, fanden wir nicht passend.
Aber auch der Weg zu unserem Auto, welches wir auf dem Sportgelände im Vorort geparkt hatten, war richtig schön. Eine ruhige Gegend mit alten Holzhäusern, geliebten Gärten und einer angenehmen Stimmung.
Da wir noch nicht Richtung des größten Sees Estlands gekommen sind, entscheiden wir uns nun einen Abstecher zum Schloss Alatskivi zu machen und nach einem kleinen Spaziergang dort entlang des Sees zu fahren. Leider führte die Strecke dann aber nicht direkt am See und wir konnten nur einen kurzen Blick auf den riesigen Peipussee erhaschen, welchen Estland mit Russland teilt.
Und ratet mal wo wir dann gelandet sind – richtig, an einem Badesee. Wieder konnten wir hier den Abend entspannt ausklingen lassen, nur einige Anwohner kamen kurz für eine Abkühlung vorbei und unser erfrischendes Bad am nächsten Morgen nehmen.
Das brauchten wir dann auch. Es wurde wieder richtig warm und wir entschieden uns für eine kleine Wanderung, ausgehend vom See zum höchsten Berg Estlands und des Baltikums.
Ja, okay der Suur Munamägi ist nur 318m hoch und wir mussten vielleicht 100m davon erklimmen, aber es ist der höchste Berg! 😂
Nach dieser „anstrengenden“ Tour brauchen wir aber etwas Entspannung, daher geht es für uns nun nach Lettland – Badetag am Alūksne-See!
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