Stippvisite in Litauen - Reisebericht 16

Veröffentlicht am 15. August 2022 um 14:57

Nach dem wunderschönen Abschluss in Lettland starten wir weiter nach Litauen. Hier fahren wir wieder einmal unbehelligt über einen kleinen Grenzübergang und werden mit weiten Feldern und kleinen Dörfern begrüßt. Überall sieht man Störche nisten oder hinter den Traktoren auf den Feldern herjagen.


Für uns geht es zu einer Empfehlung von der Berliner Familie, welche wir in Estland am See getroffen haben. Orvidų sodyba ist ein angelegter Garten eines litauischen Künstlers und Bildhauers, welcher nach seiner Rückkehr von der sowjetischen Armee 1972 sein Projekt begann. In diesem Garten findet sich ein Zusammenspiel aus Natur und Kunst, welche verwinkelt angelegt sind und in einem Zusammenspiel miteinander wirken.


Ob nun kleine, zugewachsene Durchgänge mit Steinskulpturen oder angelegte Felshügel mit alten Kreuzen - wir waren zur Mittagszeit dort und genossen vor allem die Kühle der Bäume und das Licht und Schattenspiel, welches den Skulpturen nochmal eine ganz andere Dimension gegeben hat.


Ist dieses Museum 6 Euro Eintritt pro Person wert? Das kommt wohl darauf an… es ist ein schöner, kleiner Spaziergang mit einigen Dingen zu entdecken, aber jetzt auch nichts was uns komplett vom Hocker gerissen hat. Fotos haben wir nur mit dem Handy gemacht, da uns weitere 4 Euro für die Kamera, es dann doch nicht wert waren.
Nach dieser kleinen Tour ging es für uns weiter. Diesmal zu einem historische sehr interessantem Ort - dem Kreuzhügel. Kryžių Kalnas ist nicht nur seit Jahrhunderten ein christlicher Wallfahrtsort, sondern auch ein Symbol des politischen Widerstands. Wie es dazu gekommen ist?
Der Ursprung dieses „Berges“ ist unbekannt, es ranken sich jedoch zahlreiche Legenden um seine Entstehungsgeschichte. Eine dieser Legenden erzählt von einem Vater, der eine Vision hatte, welche ihm auftrag auf den Hügel ein Kreuz aufzustellen um seine todkranke Tochter zu retten. Als er vom Berg zurückkehrte, war seine Tochter wieder wohlauf. Auf Grund dieser und anderen Legenden entstand aus dem Hügel ein christlicher Wallfahrtsort an dem Kreuze aufgestellt wurden, um ihre Gebete zu erfüllen.


Im 19. Jahrhundert war Litauen unter der Herrschaft eines russischen Zaren. Alleine der Gedanke an einer Unabhängigkeit war verboten, trotzdem gab es immer wieder Aufstände. Nachdem diese blutig niedergeschlagen wurden und ein christliches Begräbnis nicht immer möglich war, begannen die Angehörigen, der bei den Aufstände getöteten Menschen, begannen Kreuze auf den Hügel aufzustellen.
Während diese Tradition zeitweise abflachte, erlebte sie ihren nächsten Höhepunkt in der Zeit nach der Okkupierung Litauens durch die Sowjetunion. In dieser Zeit wurden zahlreiche Litauer nach Sibirien deportiert und nach der Rückkehr der Überlebenden, begannen diese wieder zahlreiche Kreuze für die Opfer dieser Zeit aufzustellen. Weitere Kreuze wurden für politisch Gefangenen und von Gläubigen aufgestellt.


Kein Wunder also, dass dieser Ort dem kommunistischen Regime ein Dorn im Auge war. Nicht nur die religiösen Bedeutung sondern insbesondere auch die politischen Bedeutung als Ort des Widerstandes führten 1961 zum Entschluss diesen Ort zu zerstören. Mit Bulldozern fuhren sie über den Hügel, Kreuze wurden verbrannt, verschrottet und im nahegelegenen Bach versenkt. Jedoch wurde bereits in der nächsten Nacht die nächsten Kreuze aufgestellt. Nach mehrfacher Zerstörungen des Berges und der gleichzeitigen Zunahme an Bedeutung, durch das immer wieder aufstellen neuer Kreuze, gab das Regime irgendwann auf. Sie hatten erkannt, dass mit jeder erneuten Zerstörungen die Popularität des Berges und die Anzahl der neu aufgestellten Kreuze zunahm. Auch heute noch werden immer wieder neue Kreuze aufgestellt, inzwischen findet man aber auch Symbole anderer Religionen.


Bei einer Zählung der Kreuze 1990 wurden bereits rund 40.000 Kreuze gezählt, wobei die kleinen Rosenkränze u.ä. außer Acht gelassen wurden.

Bei unserer Reise verstehen wir immer mehr die klare Solidarität, welche man an jeder Ecke im Baltikum für die Ukraine erkennt. Während man nicht viel vom Krieg und Militär mitbekommt, selbst in den Grenzregionen nicht - ist das Thema Ukraine bei Stadtführungen, bei Symbolen und politischen Orten immer wieder ein Thema mit dem man konfrontiert wird.


Wir suchen uns nach einem spannenden Tag einen gemütlichen Stellplatz im Wald, genießen die Kühle der Bäume und fallen müde ins Bett.


Am nächsten Morgen überlegen wir uns eine kleine Wanderung zu unternehmen. Eigentlich möchten wir in den Nationalpark Aukštaitija, als wir bei Komoot eine Wanderung aussuchen landen wir jedoch im Regionalpark Labanoros. Die Weiterfahrt in den Nationalpark war uns zu weit und so haben wir uns- eine andere Tour als geplant, da fehlender Parkplätze - auf eine kleine Runde durch den Wald aufgemacht. Die Tour an sich war nicht besonders, meistens kleine Waldstraßen, ab und an ein Hof mit einigen Hofhunden, denen wir ausgewichen sind und dann ein paar braunen Schildern die auf interessante Orte hinweisen. Wir brauchen ein bisschen um herauszufinden was diese Schilder ausweisen, stellen dann aber bald fest es handelt sich um 3 Massengräber aus der Zeit des Holocaust. Mitten im Wald stoßen wir wieder auf Geschichte und merken wieder einmal wie weit die Gräueltaten damals reichten.


Nachdem wir dann wieder an unserem Parkplatz ankamen, stellten wir fest, dass wir wohl ausversehen auf einem privaten Parkplatz standen – nun war die Kette zu und eine Telefonnummer stand auf unserer dreckigen Heckscheibe. Da niemand ans Telefon ging, fuhren wir den Weg weiter bis wir zu einem Haus kamen. Da kam uns schon eine nette Dame entgegen und erklärte uns, dass wir nur das Schloss herunter ziehen müssten um rauszufahren und es wäre absolut kein Problem, dass wir da standen. Bisher müssen wir sagen, die Begegnungen mit den Litauern waren allesamt unglaublich freundlich!


Wir ziehen also weiter zu unserem nächsten Reiseziel und gleichzeitig Schlafplatz. Kurz vor Vilnius liegt der geografische Mittelpunkt Europas - da muss man doch mal vorbei. Also schauen wir uns diesen Punkt mal etwas genauer an und gehen ins Bett um morgens früh nach Vilnius zu fahren.
Der Plan geht auf - als wir abreisen kommt der erste Reisebus und wir sind froh weg zu sein. In Vilnius haben wir uns einen kostenlosen Parkplatz rausgesucht, bei dem man nur einmal über den Hügel muss um in der selbsternannten Republik Užupis zu landen. Dies ist das alternative Viertel Vilnius mit vielen Galerien, Künstlern und Cafés. Die Stimmung ist unglaublich entspannt und wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Auch der Rest von Vilnius spiegelt diese Atmosphäre wieder. Obwohl wir einen Samstag haben ist es recht ruhig, die Cafés sind voller fröhlicher Menschen und die Straßen sind nicht überfüllt. Vielleicht liegt es an den hohen Temperaturen und alle sind am See - wir wissen es nicht, genießen aber die Tatsache sehr. Die Stadt an sich ist wunderschön - die Altstadt gehört nicht umsonst zum Weltkulturerbe. Neben vielen Kirchen, findet man einige Altbauten fast alle mit hellen Fassaden. Die Gassen sind auf Kopfsteinpflaster und überall findet man kleine Cafés, Bars und Restaurants. In den Parks der Stadt kann man etwas entspannen und auf dem Burghügel ein Blick von oben, auf die Stadt erhaschen. Eine der Sehenswürdigkeiten ist das Tor der Morgenröte, dieses Tor blieb uns nicht nur wegen des Namens in Erinnerung. Hellblau steht es in der Stadtmauer und beherbergt ein unglaublich pompöse und mit viel Gold verzierte Madonna, welche diesen Ort zu einem bedeuten Wallfahrtsort macht.
Wir verlieren uns in der Stadt und verbringen ohne Schwierigkeiten den Tag dort und fahren erst Abends nach einem kurzen Abendessen weiter. Es geht für uns wieder in den Wald, der Hitze entfliehen.


Alle Fenster aufgerissen lässt es sich dann ganz gut schlafen, so dass wir fit für unseren letzten Tag in Litauen sind. Heute steht das nächste UNESCO Weltkulturerbe auf dem Programm. In Kernavė, die ältesteste bekannte Hauptstadt Litauens ist inzwischen nur noch ein kleiner Ort. Dort befinden sich jedoch die Überreste und Hügel der früheren fünf Wehrburgen. Diese Hügellandschaft und das kleine Freilichtmuseum, welches ein kleines Dorf aus der damaligen Zeit nachstellt, sind kostenlos zu besichtigen. Auch eine kleine Holzkirche befindet sich auf dem UNESCO Gelände. Während man bei der Wehranlage wirklich nur noch die Hügel erkennt, sind diese jedoch ganz schön beschrieben und die Aussicht ist auch ganz schön. Das kleine Dorf hat uns persönlich sofort an das „kleine, unbeugsame Dorf in Gallien“ erinnert. Ein einfacher Holzzaun und einige kleine Holzhäuser mit Einrichtung geben einen guten Eindruck wie die Menschen damals gelebt und gearbeitet haben.


Anschließend ging es nach Kaunas. Dies ist nicht nur eine ehemalige Hauptstadt Litauens und soll eine schöne Altstadt beherbergen, es ist auch Kulturhauptstadt Europas 2022. Wir finden eine kleine aber hübsche Altstadt mit unglaublich vielen schönen Häusern. Aktuell laufen viele Sanierungsarbeiten die vermuten lassen, dass dieses Stadt in ein oder zwei Jahren noch schöner anzusehen ist. Neben den Gassen und alten Häusern findet man auch noch eine Burg, inklusive schlafenden Biest. Das Kloster in der Nähe haben wir uns aus zeitlichen Gründen nicht angeschaut, dies soll wohl aber auch beeindruckend sein. Wir finden diese Stadt trägt den Titel zurecht.


Wir verlassen nun aber Litauen schon nach wenigen Tagen, es geht für uns nach Polen. Am Montag ist ein Feiertag und wir könnten uns eh nicht viel anschauen und in Polen haben wir auch noch einiges auf dem Programm.


Erstmal landen wir aber auf einem kostenlosen Campingplatz an einem kleinen See. Picknickplätze, Grillstellen, saubere Toiletten, Strom und WiFi inklusive. Was möchte man mehr?! Hier verbringen wir einen ruhigen Abend (es ist wirklich wenig los, dafür das perfektes Wetter und ein langes Wochenende ist) und einen entspannten Feiertag. Das Internet wird genutzt um die Weiterreise in Polen zu planen und wir genießen die Sonne und den Tag Auszeit!

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